04.01.2019

Weltcup

50 Jahre Kunsteisbahn Königssee: Eine schwierige Bahn, so wie es sein soll

„Stürmische“ Jubiläumsfeier zum Königssee-Kunsteisbahn-Jubiläum in Bad Reichenhall

Bad Reichenhall. Und dann kamen doch einige hundert Besucher vor die Alte Saline der Kurstadt, um die Geburtstagsfeier für die Kunsteisbahn Königssee mitzuerleben. Trotz eisigem Wind, teils dichtem Schneetreiben, also keineswegs gemütlichen, aber für den Kufensport dann doch typischen Bedingungen, lauschten sie den interessanten Anekdoten der zahlreichen Zeitzeugen, die nach Bad Reichenhall gekommen waren, und begeisterten sich für die starken Sanostra Light-Trommler und im Anschluss für die stimm- und stimmungsgewaltige Bayern 1-Band.

Vorab legte DJ Sebastian Rasp Musik auf, BR-Moderator Willi Willmann führte schließlich auf der großen Bühne durch den Abend und begrüßte Bahn-Architekt und Miterbauer Sepp Lenz & Co. Man war zusammengekommen, um 60 Jahre Kunstbahn mit Natureis und 50 Jahre Kunsteisbahn am Königssee in der Salzstadt zu feiern. Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) war mit seiner Jubiläumsfeier trotz aller Kritik ganz bewusst aus Berchtesgaden rausgegangen, um sich auch im äußeren Landkreis zu präsentieren. Letztlich gehört die Sportstätte am südlichen BGL-Ende dem Landkreis mit seinem Landratssitz in Bad Reichenhall. Das freute Chef Georg Grabner und Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner, die zu Beginn der Veranstaltung kurze Grußworte fanden. Fast alle Bürgermeister des Berchtesgadener Landes waren ebenfalls gekommen, genauso wie Bundestagsabgeordneter Dr. Peter Ramsauer.
 

„Wohnzimmer“ für viele Athleten


Stefan Gaisreiter aus Ohlstadt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, Viererbob-Weltmeister von 1979, meinte, ein guter Start am Königssee war stets mehr als die halbe Miete. Für Rodel-Weltmeisterin Natalie Geisenberger ist es „einfach geil“, auf der Heimbahn zu fahren. Ihre Kollegen von der Trainingsgruppe Sonnenschein, Tobi Wendl und Tobi Arlt, seien am Königssee schon nervöser als sonstwo in der Welt, gaben sie zu, aber auch so motiviert wie auf keiner anderen Bahn. Und für Felix Loch ist die erste Kunsteisbahn der Welt sowieso das „Wohnzimmer“, genauso wie für den Besten seiner Zunft, Georg Hackl. Er „genoss“ sein größtes Desaster, 1999 bei der Heim-WM mit grobem Schnitzer in Lauf eins und sogar einem Sturz in Durchgang zwei nun 20 Jahre später: „Ja mei, wär es normal gelaufen, hätten alle nur gesagt, na klar, der Hackl hat gewonnen. Aber so hatten wir jetzt wenigstens was zum Anschauen – und wie man am besten nicht runterfährt“.

Sepp Lenz, Mann der ersten Stunde bei beiden Bahnen, spielte die für heute aberwitzig erscheinende Arbeit mit 10.000 Eisblöcken pro Saison mit seinem ganz eigenen Charme runter: „Das hat uns nichts ausgemacht, in zwei Wochen war vereist.“ Jammern würde der heute 83-Jährige nie, wie Willi Willmann begeistert feststellte. Neben ihm standen Max Aicher von der ausführenden Baufirma und Hans Plenk, der die damals vom Damenstart 800 Meter lange Kunsteisbahn als Erster mutig bewältigte und im Anschluss-Interview meinte: „Ja, sie ist technisch schwierig, aber so soll es ja auch sein“. Großartig kommentiert wurde die Jungfernfahrt im Januar 1969 von TV-Moderator Klaus Angermann. Die Festabend-Besucher kamen in den Genuss bewegter Bilder, die das ZDF aus seinem unschätzbar wertvollen Archiv für die Feier in Bad Reichenhall hervorkramte. „Diese Bahn ist witterungsbeständig, selbst bei Temperaturen bis 15 Grad“, sagte Angermann, der ebenfalls in die Kurstadt kam, damals in seinem Beitrag. Das war der Grund, warum 1968/69 aus der Kunstbahn mit Natureis die Kunsteisbahn wurde. Mittels Kühlrohren, in die Ammoniak geleitet wird, entsteht künstliches Eis – durch Eiskristalle und hunderte Aufspritzvorgänge auf den runtergekühlten Beton. Die Naturbahn zuvor war einige Male innerhalb weniger Stunden weggeschmolzen.

Zwei Führungspersönlichkeiten der Weltverbände, Generalsekretärin Heike Größwang für den Internationalen Bob-Verband IBSF und Sepp Fendt für den Welt-Rodelverband FIL, überreichten Landrat Georg Grabner als Anerkennung einen von Hans Scherer in Anlehnung an die Kurstadt mit einem Salzstein gestalteten Glaspokal.
 

Zwei DDR-Piloten und eine Sensations-Weltmeisterin


Willi Willmann befragte Christa Schmuck auf der Bühne, die bei der Debüt-WM 1969 am Königssee Bronze geholt hatte und sich damals in einer noch von Männern dominierten Rodel-Welt einen großen Namen machte. Der Reihe nach kamen viele ehemalige Kufen-Piloten zu Wort, dazu wurden ihre oft noch waghalsigen Fahrten gezeigt, bis die Bilder in den 1970er-Jahren endlich Farbe erhielten: Beim Berchtesgadener Hans Brandner, Doppelsitzer-Weltmeister 1979 am Königssee, sowie den DDR-Fahrern Hans Rinn und Norbert Hahn, die dahinter Silber holten. Sonja Marx, geborene Wiedemann, Überraschungs-Weltmeisterin 1999 am Königssee, die zweimalige Olympia-Silbermedaillengewinnerin Barbara Niedernhuber und der zweimalige österreichische Weltmeister Markus Prock besuchten ebenfalls die Feier in Reichenhall. Über den Spitzen-Bob-Anschieber Markus Zimmermann sowie den Ex-Rodler und späteren Skeleton-Trainer Jens Müller schloss sich der Kreis mit den heutigen heimischen Top-Athleten Felix Loch, Natalie Geisenberger und den Super-Tobis Wendl/Arlt.

Als Schmankerl gab‘s noch eine Fahrt von Willi Bogner durch den Eiskanal zu sehen – auf Skiern. Zum Aufwärmen ging‘s für geladene Gäste im Anschluss ins Salin, um die Geschichte der Kunsteisbahn noch einmal in Ruhe Revue passieren zu lassen. Manuel Lechner verköstigte die Gäste drinnen wie draußen. Den ganzen Abend hatten Polizei und Feuerwehr die Sicherheit im Blick.

Auch die deutschen Athletinnen und Athleten sowie die Trainer freuen sich über das langjährige Bestehen der Königsseer Kunsteisbahn und haben uns verraten, warum sie die Bahn am Fuße des Watzmanns und des Grünsteins so schätzen, wo sie ihre Tücken hat und welche individuellen Erinnerungen damit verbunden sind.

René Spies, Bob-Cheftrainer:
„Sich selbst mal eine Rodelbahn zu bauen und mit dem Schlitten runterzufahren, hat sicher jeder schon mal gemacht, aber nicht auf solch einem Level, wie es Sepp Lenz und seine Freunde damals gemacht haben. Das ist in Bezug auf die Professionalität natürlich eine ganz andere Ebene. Das ist bis heute bewundernswert, vor allem auch Sepp Lenz immer wieder an der Königssee-Bahn anzutreffen. Er ist für alle ein Vorbild und ein Pionier. Daher freut es uns, dass er nicht nur bei den Rodlern, sondern auch bei uns Bobfahrern immer wieder gerne vorbeischaut.
Die Kunsteisbahn am Königssee war damals eine von zwei westdeutschen Bahnen, nach der Wiedervereinigung kamen dann noch Oberhof und Altenberg dazu. Für den Rodel- als auch für den Bobsport war das in Westdeutschland die wichtigste Bahn und hat natürlich dazu beigetragen, dass der Bob- und Schlittenverband für Deutschland viele Siege und Erfolge einfahren konnte. Die Kunsteisbahn am Königssee ist besonders für die Ausbildung unserer Nachwuchsathleten sehr wichtig. Vor den Olympischen Spielen in PyeongChang waren allein wir Bobfahrer siebenmal am Königssee, besonders für die Materialvorbereitung. Es ist daher unumgänglich, diese Kunsteisbahn für uns zu nutzen und ebenso unabdingbar für unseren Erfolg.“

Nico Walther:
„Die Bahn am Königssee hat als erste Kunsteisbahn unseren Sport entscheidend geprägt. Es war quasi die Einleitung des Zeitalters der Kunsteisbahnen. Es ist für uns daher eine ganze besondere Bahn mit einer großen Historie. Ich war früher ja mal Rodler und wäre wie Sepp Lenz natürlich auch so eine selbstgebaute Bahn heruntergefahren. Ich bin für jedes Abenteuer zu haben.“

Mariama Jamanka:
„Der Bau der Bahn hatte für den Wintersport eine enorme Bedeutung. Der Wechsel von selbstgebauten, aus Schnee und Eis getürmten Bahnen zu den gekühlten Bahnen, die auch einen Betrieb auf professionellem Level ermöglichen, der so wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Ich persönlich kann es mir überhaupt nicht vorstellen, mir einen Rodel zu schnappen und – wie es früher üblich war – auf einer selbst gebauten Bahn herunterzurasen. Ich habe da wirklich Respekt vor denen, die das früher gemacht haben. Ich hoffe das die Bahn noch weitere 50 Jahre so besteht und gratuliere recht herzlich zum Jubiläum.“

Stephanie Schneider:
„Die Kunsteisbahn am Königssee feiert Geburtstag. Hierzu erstmal herzlichen Glückwunsch! In dieser langen Zeit hat sie den Kufensport in Deutschland stark mitgeprägt und den Grundstein dafür gelegt, dass unsere Generation auch noch in den Genuss kommen darf, auf der tollen Bahn mit unseren High-tech-Schlitten zu fahren. Ich könnte mir natürlich vorstellen, in einem historischen Bob vom S1 am Königssee selbst mal runterzufahren, aber erstmal bevorzuge ich meinen Schlitten.“

Johannes Lochner:
„Die Kunsteisbahn am Königssee war natürlich ein Meilenstein in der Entwicklung für unseren Sport. Ich glaube nicht, dass ich jemals zum Bobsport gekommen wäre, wenn wir nicht die Bahn vor Ort gehabt hätten. Bei mir liegt es ja in der Familie, aber mein Onkel und mein Vater sind damals sicherlich auch nur zum Bobsport gekommen, weil hinten am Königssee die Kunsteisbahn steht. Ich glaube nicht, dass ich früher so eine selbstgebaute Bahn heruntergefahren wäre. Ich habe ja selbst erst sehr spät, mit 21 mit dem Bobfahren angefangen. Für mich wäre das nichts gewesen.“

Natalie Geisenberger:
„Ich denke, dass man sich früher mit dem Material, das wir heutzutage als altmodisch oder nicht-funktionell betrachten, gar nichts dabei gedacht hat. Damals hat man einfach im Rahmen der Möglichkeiten den Sport ausgeübt, so wie wir es heutzutage auch machen. In 50 Jahren wird es höchstwahrscheinlich einen weiteren Sprung in der Materialentwicklung, beim Schlittenbau oder beim Rennanzug geben – so wie es sich auch in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat. Wenn ich damals gerodelt wäre, wäre es denke ich genauso „normal“ gewesen wie heutzutage.
Sepp Lenz war und ist ein Mensch, der den Rennrodelsport extrem geprägt hat, weil er so viel entwickelt und gebaut hat. Er ist einfach eine der Ikonen des Rodelsports, und was er mit der Kunsteisbahn am Königssee auf die Beine gestellt hat, ist der Wahnsinn. Ich finde es nach wie vor toll, dass er immer noch jeden Tag an die Bahn fährt, alle begrüßt und sich im Kreis der Athleten blicken lässt. Die Möglichkeit zu haben, so eine Persönlichkeit kennenlernen zu können, ist sehr schön. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich den Sepp an der Bahn irgendwo stehen sehe.“

Felix Loch:
„Es ist unglaublich, wie lange es die Kunsteisbahn am Königssee schon gibt. Was der Sepp damals mit seinen Weggefährten und Freunden in so kurzer Zeit gebaut hat, finde ich richtig cool. Die Bahn ist bis heute etwas Besonderes, da sie richtig super liegt und auch sehr gut funktioniert.
Heutzutage könnte man mit einem Schlitten von damals sicher nicht mehr runterfahren, aber es würde mich schon sehr interessieren. Es ist einfach komplett was Anderes, das kann man mit heute nicht mehr vergleichen. Die Kunsteisbahn am Königssee war für den Rodelsport sehr wichtig. Ich bin von klein auf hier aufgewachsen, die Bahn und auch der Stützpunkt sind für mich wie eine zweite Heimat. Da ist man sehr dankbar, dass man den Sport so ausüben kann und die tollen Voraussetzungen hier so gut nutzen kann.“

Francesco Friedrich:
„Es ist eine tolle Geschichte, dass die Bahn schon 50 Jahre alt ist. Es war wichtig für unseren Sport, weil es aufgrund der Klimaerwärmung immer schwieriger wird, Naturbahnen zu bauen. Mit dieser Bahn wurde der Grundstein für unseren Sport heute gelegt. Man hat es jetzt wieder in St. Moritz gesehen, wo traditionell zwischen Weihnachten und Neujahr die Schweizer Meisterschaften stattfinden. Diesmal hat es nicht ganz geklappt, und sie musste auf März verschoben werden. Das ist einerseits schade, auch, dass es nicht mehr Naturbahnen gibt, aber andererseits ist es gut, dass dank der ersten Bahn am Königssee alle anderen nachgezogen haben und so viele neue Bahnen hinzugekommen sind.“

Tobias Arlt:
„Ich kann mir vorstellen, selbst auch auf selbst gebauten Naturbahnen oder Forstwegen wie früher zu rodeln. So haben wir eigentlich auch angefangen, auf selbst gebauten kleinen Rodelbahnen hinterm Haus. Am Abend haben wir dann auch Steilkurven gebaut, die wir mit Wasser präpariert haben, damit sie über Nacht frieren. Da ist es bei uns in der Jugend auch losgegangen. Wir haben das sehr geliebt. Wenn die Schneelage passt, machen wir das heute auch noch. Mit meinen Kindern fahre ich auch zum Rodeln auf den Forstwegen.
Die Vorreiter im Rodelsport wie Sepp Lenz oder Josef Fendt sind für die Region natürlich unverzichtbar. Ohne sie wäre der Rodelsport nicht da, wo er jetzt ist. Sepp Lenz hat Schorsch Hackl großgezogen und als Schützling betreut. Er hat ihm viel beigebracht, und es ist schön, ihn immer noch an der Bahn stehen zu sehen, wo er mit den Bahnarbeitern spricht, das Bahnprofil anschaut. Es ist sein Leben, und es ehrt uns, dass er am Ziel steht, auch im Training, und nachfragt, wie es läuft, ob es technische Neuerungen gibt. Er interessiert sich einfach für uns und den Sport, das ist einmalig.“

Text und Bilder: Hans-Joachim Bittner/BSD